Horizon 2020 in der Steiermark: Ein Rückblick

Der Europäische Forschungsraum und die EU-Forschungsrahmenprogramme

Der Vertrag von Lissabon  definiert den Europäischen Forschungsraum (EFR bzw. European Research Area – ERA) als einen einheitlichen, weltoffenen Forschungsraum auf der Grundlage des Binnenmarktes. Der EFR ermöglicht den freien Austausch von Forscherinnen und Forschern, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologien.

Die Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums war ein wesentlicher Bestandteil der Leitinitiative einer Innovationsunion  im Rahmen der Strategie Europa 2020. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten waren und sind aufgerufen, ihre wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Fähigkeit zur gemeinsamen Bewältigung großer Herausforderungen zu stärken. Die Rahmenprogramme für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration stellen das wichtigste Instrument für die Verwirklichung und Gestaltung des Europäischen Forschungsraums dar.

Seit 1984 wird der größte Teil der EU-Fördergelder für Forschung, Entwicklung und Innovation in diesen Forschungsrahmenprogrammen gebündelt und den Forscherinnen und Forschern, sowie teils auch verbundenen Unternehmenspartnern, antragsbasiert für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt.

Zwischen 1984 und 2014 wurden in sieben Rahmenprogrammen in Summe 110,4 Mrd. Euro an Förderungen zur Verfügung gestellt. Mit dem letzten Rahmenprogrammen Horizon 2020, das die Jahre 2014 bis 2020 umfasste, wurden rund 80 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Obwohl das EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 bereits mit Ende des Jahres 2020 beendet wurde, werden die noch laufende Projekte auch nach wie vor bearbeitet und abgeschlossen. Horizon 2020 war auf drei thematischen Säulen aufgebaut zur Unterstützung der Forschung und Innovation für “Exzellente Wissenschaft”, “Industrielle Führung” und zur Bewältigung von sieben “Gesellschaftlichen Herausforderungen”. Andere Prioritäten wurden als Querschnittsthemen über das gesamte Programm hinweg behandelt. Diese umfassten zum Beispiel die Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften, die internationale Zusammenarbeit sowie Dimension der Geschlechtergleichstellung. Diese Themen waren in alle Forschungsbereiche integriert.

 

Horizon 2020 in Österreich und der Steiermark

Österreich und insbesondere die Steiermark konnten die Teilnahme an den bisherigen EU-Forschungsprogrammen sehr gut nützen. Bislang (Datenstand 1.9.2021) wurden im Rahmen von Horizon 2020 insgesamt 35.239 Projekte bewilligt. An 3.176 Projekten waren österreichische Institutionen beteiligt, was einer Teilnahme an knapp über 9 % aller Projekte entspricht. Insgesamt weist Österreich 4.975 Beteiligungen unterschiedlicher F&E-Institutionen an diesen Projekten auf. Die insgesamt im Programm bewilligte Fördersumme beläuft sich auf 66,96 Mrd. Euro, wobei über 1,93 Mrd. Euro nach Österreich flossen, was einen Anteil von rd. 2,9 % darstellt. Österreich hat damit sein Ziel, im Rahmen von Horizon 2020 1,5 Milliarden Euro an Förderungen einzuwerben, übertroffen.

Die Steiermark ist nach Wien das zweiterfolgreichste Bundesland mit einer Anzahl von 1.028 Beteiligungen und einer bewilligten Fördersumme in Höhe von 408,1 Mio. Euro. Die Differenzierung nach Bundesländern zeigt, dass etwas mehr als die Hälfte der Beteiligungen bei Organisationen mit Sitz in Wien liegt und 21 % in der Steiermark – gefolgt mit deutlichem Abstand von Oberösterreich (9 %) und Niederösterreich (7 %). Die Steiermark verzeichnet somit über ein Fünftel sowohl der österreichischen Beteiligungen als auch der insgesamt in Österreich verzeichneten Fördersumme.

Horizon 2020 – Beteiligungen in den österreichischen Bundesländern
Quelle: FFG; eigene Darstellung JR-LIFE; Datenstand 1.9.2021.

Hinsichtlich der Organisationstypen zeigt die Steiermark verglichen mit Gesamt-Österreich eine Vorreiterrolle der außeruniversitären Forschung, sowohl bei den Beteiligungen als auch bei den Fördersummen (32,0 % vs. 23,3 % bzw. 33,9 % vs. 24,6 %). Öffentliche und sonstige Institutionen sind bei Horizon 2020 in der Steiermark hingegen weniger oft vertreten als im Österreich-Durchschnitt (siehe dazu nachfolgenden Tabelle).

H2020: Förderungen und Beteiligungen nach Organisationstyp
Quelle: FFG; eigene Darstellung JR-LIFE; Datenstand 1.9.2021.

Die für Horizon 2020 rahmengebende Strategie Europa 2020 hat neben den drei Wachstumszielen (intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum) auch fünf Kernziele gesetzt, die bis 2020 erreicht werden sollten. Eines dieser Ziele war die Bedingungen für Forschung, Innovation und Entwicklung zu verbessern: und bei öffentlichen und privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung einen Anteil von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen. Aktuell beträgt dieser Wert in der EU 2,14 % (2019; für EU-28). Es kam zwar in den letzten Jahren zu einer stetigen Erhöhung der F&E-Ausgaben, dennoch ist die Zielvorgabe beim gegebenen Wachstumspfad nicht erreichbar (Daten für 2020 liegen noch nicht vor). Lediglich drei Mitgliedsstaaten haben 2019 das Ziel von 3 % bereits erreicht: Schweden (3,4 %), Österreich (3,19 %) und Deutschland (3,18 %). Die Bedeutung der Forschung, Entwicklung und Innovation in Österreich und der Steiermark spiegelt sich demnach auch in der F&E-Quote, die im EU-Spitzenfeld liegt, wider.

Österreichs F&E-Quote im EU-Vergleich, 2019
Quelle: EUROSTAT; eigene Darstellung JR-LIFE.

Die F&E-Quote der Steiermark lag 2019 bei 5,2 % und damit – wie schon in den Jahren zuvor – deutlich über dem Österreich- und dem EU-27-Schnitt (3,1 % bzw. 2,2 %), sowie im Spitzenfeld der europäischen Regionen. Nach der Steiermark verzeichnete 2019 Wien die zweithöchste F&E-Quote der Bundesländer mit 3,6 %. Der hohen F&E-Quote der Steiermark liegen mehrere Faktoren zugrunde: Neben der guten Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wird das innovative Forschungsumfeld durch eine Vielzahl von Akteuren (Hochschulen, F&E-Einrichtungen, Cluster, Netzwerke und Impulszentren) charakterisiert. Zudem weist die Steiermark eine starke Beteiligung am COMET-Programm des Bundes und mit Abstand die meisten Kompetenzzentren in Österreich auf, was für eine nachhaltige Sicherung des Forschungsstandortes spricht. Die Steiermark ist an 25 von österreichweit 42 Kompetenzzentren beteiligt, von denen 19 ihren Hauptsitz in der Steiermark haben. Dabei haben 14 von 18 Umwelttechnik-Kompetenzzentren ihren Sitz in der Steiermark.

Entwicklung der steirischen F&E-Quote im Österreich- und EU-Vergleich
Quelle: WIBIS Steiermark, EUROSTAT; eigene Darstellung JR-LIFE. Anmerkung: „EU“ entspricht den EU-27 ohne das Vereinigte Königreich. Auf Bundesländer-Ebene wird die Berechnung der F&E-Quote nur jedes zweite Jahr durchgeführt. Umstellung der Zeitreihe von 2006 auf 2007. Darstellung der verfügbaren Jahre.

Ausblick: Horizon Europe (2021-2027)

Als das aktuelle 9. EU Forschungsrahmenprogramm ist Horizon Europe mit über 95 Mrd. Euro an Fördermitteln für den Zeitraum 2021-2027 ausgestattet. Es trägt zur Bekämpfung des Klimawandels, zur Verwirklichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums der EU bei. Horizon Europe dient der Erleichterung der Zusammenarbeit und stärkt die Wirkung von Forschung und Innovation bei der Entwicklung, Unterstützung und Umsetzung der EU-Politik parallel zur Bewältigung globaler Herausforderungen. Es unterstützt die Schaffung und bessere Verbreitung von exzellentem Wissen und Technologien. Zudem soll das Programm Arbeitsplätze schaffen und das Wirtschaftswachstum sowie die industrielle Wettbewerbsfähigkeit fördern.

Auch im Programm Horizon Europe werden die inhaltlichen Schwerpunkte in drei Säulen gebündelt „Wissenschaftliche Exzellenz“, „Globale Herausforderungen und europäische industrielle Wettbewerbsfähigkeit“ und „Innovatives Europa“. Parallel dazu bestehen Maßnahmen zur Ausweitung der Beteiligung und zur Stärkung des Europäischen Forschungsraums.

Aufbau des Programms HORIZON EUROPE
Quelle: Europäische Kommission.

Forschung und Innovation spielen eine zentrale Rolle beim Weg Europas zu einem klimaneutralen Kontinent. Mehr als 35 % der Ausgaben im Rahmen von Horizont Europa werden zu Klimaschutzzielen beitragen und vier der fünf vereinbarten Auftragsbereiche von Horizon Europe dienen unmittelbar dem europäischen Green Deal:

  • gesunde Ozeane, Meere, Küsten- und Binnengewässer,
  • klimaneutrale und intelligente Städte,
  • Bodengesundheit und Lebensmittel,
  • Anpassung an den Klimawandel und gesellschaftlicher Wandel.

Angesichts der sehr erfolgreichen vergangenen Beteiligung steirischer F&E-Einrichtungen an den Forschungsrahmenprogrammen ist auch für die Zukunft mit einer sehr regen Projekttätigkeit und einem weiteren Ausbau der steirischen Forschungslandschaft zu rechnen.

Quellen:

BMBWF: ERA Portal Austria. URL: https://era.gv.at/. Zugegriffen: 10/2021.

Das Land Steiermark: Wirtschaftsbericht Steiermark 2020. Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 12 Wirtschaft und Tourismus. URL: https://wibis-steiermark.at/fileadmin/user_upload/wibis_steiermark/studienpool/Wirtschaftsbericht%202020.pdf.

Europäische Kommission: Innovationsunion. URL: https://ec.europa.eu/info/research-and-innovation/strategy/past-research-and-innovation-policy-goals/innovation-union_de. Zugegriffen: 10/2021.

Europäische Kommission: Horizon Europe. URL: https://ec.europa.eu/info/research-and-innovation/funding/funding-opportunities/funding-programmes-and-open-calls/horizon-europe_de. Zugegriffen: 10/2021.

Europäische Kommission: Horizon Europe – The Research & Innovation Programme 2021-27. URL: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/research_and_innovation/strategy_on_research_and_innovation/presentations/horizon_europe/ec_rtd_he-investing-to-shape-our-future.pdf. Zugegriffen:10/2021.

Europäische Kommission: Forschung und Innovation für den europäischen Grünen Deal. URL: https://ec.europa.eu/info/research-and-innovation/strategy/strategy-2020-2024/environment-and-climate/european-green-deal_de. Zugegriffen: 10/2021.

FFG: Horizon 2020: Das EU-Programm für Forschung und Innovation. URL:
https://www.ffg.at/europa/h2020. Zugegriffen: 10/2021.

FFG: Österreich in Horizon 2020. Cockpitbericht zum Datenstand 1.9.2021.

FFG: Überblicksbericht zu Österreich in Horizon 2020. Datenstand: März 2021.

11/2021